HLHS
Bei dem hypoplastischen Linksherzsyndrom handelt es sich um eine Erkrankung der linksseitigen Herzkammer und ihrer Strukturen. Verschieden Bestandteile der linken Herzens; die Einlassklappe (Mitralklappe), die linke Herzkammer (Ventrikel), der Ausflusstrakt, die Auslassklappe (Aortenklappe) sowie die Hauptschlagader (Aorta) können in unterschiedlicher Ausprägung zu klein ausgebildet sein.
Die linke Herzkammer ist für die Aufrechterhaltung des Körperkreislaufs (Systemkreislauf) zuständig. Anhängig vom Grad der Minderentwicklung der linken Seite des Herzens wird diese Funktion beeinträchtigt.
In Deutschland ist die Diagnose meistens vor der Geburt bekannt. Die Geburt der Babies mit einem HLHS sollte in speziellen Zentren stattfinden, in denen die Möglichkeit einer sofortigen kardiologischen Intervention bzw. eines kinderherzchirurgischen Eingriffs besteht. Nach einer initialen Stabilisierung der kleinen Patienten mit medikamentösen Maßnahmen erfolgt in unserem Kinderherzzentrum eine zügige diagnostische Evaluation durch erfahrene Kinderkardiologen, die nach Beratung mit unserer Abteilung der Kinderherzchirurgie einen Therapieplan festlegen.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Zentren weltweit erfolgt die Therapie des HLHS in unserem Zentrum nach dem „Gießener Hybrid Strategie“. Diese Strategie beinhaltet eine weniger invasive Intervention als das klassische Konzept mit Durchführung einer sogenannten Norwood Operation mit Benutzung der Herz-Lungen-Maschine in der ersten Lebenswoche. Zunächst wird in einem chirurgischen Vorgehen der Blutfluss in die Lunge durch Verengung der Lungenschlagader gedrosselt, wobei die Verbindung zwischen der Hauptschlagader und Lungenschlagader (Ductus arteriosus) durch Medikamente offengehalten wird. In einem zweiten Schritt wird dann mit einem Katheterverfahren ohne Eröffnung der Brusthöhle ein Drahtgeflecht (Stent) in den Ductus arteriosus platziert. Dieses Verfahren nennt man ein Hybrid-Verfahren.
Nach 4-6 Monaten erfolgt dann der nächste Schritt der Gießener Hybrid Strategie, die wir „Gießen Comprehensive Stage II“ nennen. Bei diesem Schritt werden unsere Kinder dann auf einen Ein-Kammer-Kreislauf vorbereitet, in dem die kleine Aorta rekonstruiert und mit der Lungenschlagader als einzigen Austrom aus dem Herzen verbunden wird. Der Blutfluss in die Lungen wird durch Anschluss der oberen Hohlvene mit der Lungenschlagader gewährleistet. Der grundsätzliche Vorteil unserer Strategie besteht in der Tatsache, dass eine aufwendige Rekonstruktion der Aorta nicht unmittelbar nach der Geburt sondern erst in einem Alter von 4-6 Monaten durchgeführt wird. Das Körpergewicht des Kindes hat sich dann nahezu verdoppelt. Die Vorteile der in unserer Abteilung durchgeführten Operationstechnik beinhalten zum einen die Vermeidung eines kompletten Kreislaufstillstands durch selektive Durchblutung der Kopfgefäße während der Operation zur Minimisierung eines neurologischen Schadens und zum anderen nach Möglichkeit die Vermeidung eines Herzstillstandes zur Minimisierung einer Herzmuskelschädigung.
Im dritten Schritt ab 18-24 Monaten erfolgt dann die sog. Fontan Operation mit Komplettierung der Operationsfolgen zum Ein-Kammer-Kreislauf.
Mit der „Gießener Hybrid Strategie“ wurden in unserem Zentrum bis jetzt über 150 Babies behandelt. Die Ergebnisse dieser Strategie sind im Vergleich zu dem klassischen Vorgehen mit Steigerung der Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten deutlich überlegen.