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Lippen-Kiefer-Gaumenspalten

Die Verdachtsdiagnose „Lippen-Kiefer-Gaumenspalte“ ruft bei den meisten Eltern zunächst einmal ein großes Erschrecken und Verzweiflung aus, doch vorneweg ist es wichtig zu wissen, dass Patienten mit einer solchen Spalte heutzutage höchstens noch minimale Einschränkungen zu erwarten haben.

Zunächst ist die eingehende Abklärung der vorliegenden Spaltform noch vor der Geburt über die Pränataldiagnostik (Prof. Dr. R. Axt-Fliedner) von hoher Bedeutung. Hierbei kann bereits mit relativ hoher Sicherheit die Ausprägung der Spalte festgestellt und eventuell vorhandene weitere Begleiterkrankungen ausgeschlossen werden.

Sinnvoll ist es, wenn die Entbindung Ihres Kindes in der hiesigen Frauenklinik erfolgt, die mit einer Geburtenzahl von über 1600 Geburten im Jahr eine der größten geburtshilflichen Abteilungen in Mittelhessen darstellt. Sie stellt zusammen mit dem Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin den ersten und wichtigsten Knotenpunkt für eine Betreuung ihres Kindes durch alle beteiligten Disziplinen dar. Eine Entlassung des Kindes nach Hause sollte so schnell wie möglich erfolgen.

Lippen-Kiefer-Gaumenspalten sind mit einer Häufigkeit von bis zu 1:500 nicht selten. Ihre Ausprägung variiert von der Minimalform (Lippenkerbe (Abb. 1), gespaltene Uvula) über einseitige- (Abb.2)  bis hin zu vollständigen beidseitigen Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (Abb.3).


Abb. 1:Lippenkerbe (einseitige unvollständige Lippenspalte)
 


Abb. 2: Einseitige vollständige Lippenspalte
 


Abb. 3: beidseitige vollständige Lippenspalte

Die medizinische Betreuung Ihres Kindes beginnt schon in den ersten Lebenstagen: Zunächst erfolgt eine zahnärztliche Abformung des Oberkiefers, die eine Grundvoraussetzung für die Anfertigung einer Mund-Nasen-Trennplatte ist. Diese ist für die Nahrungsaufnahme entscheidend und verhindert, dass durch die Einlagerung der Zunge in den Spaltbereich eine ständige Spaltverbreiterung erfolgt. Zusätzlich wird durch diese Platte das Wachstum der Kiefersegmente in den ersten Lebensmonaten positiv beeinflusst und im besten Falle die vorhandene Spalte bis auf ein Minimum verschmälert. Auch kann durch das Anbringen eines besonderen nasalen Stents eine eventuell vorhandene Deformität im Bereich des Nasenflügels verbessert werden (Naso-Alveolares Molding) (Abb.4).


Abb. 4: Gaumenplatte  mit Stent zum Nasoalveolaren Molding (NAM)

Bis zum Zeitpunkt der ersten Operation durch die Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie etwa zwischen dem 5. und 6. Lebensmonat sehen wir uns alle zwei bis drei Wochen in unserer Ambulanz. Hier werden Sie ausführlich beraten und bekommen alle Hilfestellungen, die Sie bis zur Operation brauchen. Auch können Sie Kontakt zu Selbsthilfegruppen aufbauen und lernen die mitbehandelnden Kieferorthopäden, Logopäden, Ernährungsberater und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte kennen. Im interdisziplinären Team helfen wir Ihnen auf dem Weg bis zur Operation.

Der chirurgische Verschluss der Spalte erfolgt in der Regel in zwei operativen Schritten. Dies entspricht international gültigen Normen und bietet die besten Voraussetzungen für ein optimales Ergebnis.

Zunächst erfolgt der chirurgische Verschluss des harten und weichen Gaumens (Palatoplastik) sowie des Kiefers. Hierzu werden Sie zusammen mit Ihrem Kind in der Regel auf Station Pfaundler im hiesigen Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin aufgenommen. Nachdem der Eingriff von narkoseärztlicher und chirurgischer Seite optimal vorbereitet und entsprechende Aufklärungsgespräche durchgeführt worden sind, erfolgt am nächsten Tag der Eingriff, bei dem Sie Ihr Kind bis an die OP-Schleuse und später im Aufwachraum begleiten können. Ihr Kind wird während diese Eingriffs auch von den Hals-Nasen-Ohren-Ärzten mitbehandelt und es werden - dies ist bei Kindern mit Gaumenspalten häufig notwendig- gegebenenfalls Trommelfellröhrchen (Paukenröhrchen) eingelegt, um einem Mittelohrerguss entgegenzuwirken. Häufig wird am Gaumen ein Wundverband eingebracht, welcher aber nach wenigen Tagen ohne Narkose wieder entfernt wird.

In der Zeit nach dem Gaumenverschluss sollte Ihr Kind nicht nuckeln oder aus einem Fläschchen trinken, um die plastische Rekonstruktion nicht zu gefährden. Die Entlassung von Station ist in der Regel nach drei bis fünf Tagen möglich.

Im Zeitrahmen der nächsten 6-8 Wochen erfolgt der chirurgische Lippenverschluss (Cheiloplastik). Hier stehen verschiedene chirurgische Techniken zur Verfügung, von denen in unserer Klinik am häufigsten der plastische Lippenverschluss nach Millard (Abb. 5) oder Tennisson- Randall (Abb.6) durchgeführt werden. Auch für diesen Eingriff werden Sie erneut mit Ihrem Kind auf Station Pfaundler aufgenommen, wo man Sie jetzt bereits kennt und herzlich in Empfang nehmen wird. Der stationäre Aufenthalt beträgt bei der Lippenoperation meist wieder etwa 3-5 Tage, wobei zum Fadenzug aus der Lippe normalerweise ein kurzer Dämmerschlaf notwendig ist, da das verwendete Nahtmaterial sehr fein ist.  


Abb. 5: Lippenverschluss nach Millard

 


Abb. 6: Lippenverschluss nach Tennisson-Randall

Die ambulante Nachsorge wird bis ins Erwachsenenalter angeboten. Hier erfolgen Mitbeurteilungen durch die Abteilung für Kinderzahnheilkunde, Kieferorthopädie, HNO und Logopädie sowie weiterer Fachdisziplinen, falls notwendig.

Im Alter von etwa 10-12 Jahren muss in manchen Fällen ein Knochenausbau der Kieferspalte durchgeführt werden. Dies wird mit Ihnen und mit dem behandelnden Kieferorthopäden und Zahnarzt gemeinsam erkannt und wenn Notwendig geplant.

Im Erwachsenenalter stehen eventuell kleinere ästhetische Korrekturen der Lippe, der Nase oder der Verzahnung an, in manchen Fällen muss eine kombinierte Kieferorthopädisch-Kieferchirurgische Therapie zur Optimierung der Verzahnungssituation angestrebt werden.

Gerne unterhalten sich die verantwortlichen Ärzte Fr. Dr. Dr. Martina Wilbrand und Herr Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Howaldt ausführlich mit Ihnen und klären alle weiteren noch offenen Fragen in unserer Lippen-Kiefer-Gaumenspalt-Sprechstunde immer Mittwochs von 12:30h bis 15:30h.


Gabriela Johne

Wissenschaftliche Mitarbeiterin Tel.: 0641/985-46271 Fax: 0641/985-46279 mkg@uniklinikum-giessen.de