Becken
Verletzungen des Beckenrings und der Hüftpfanne setzen eine erhebliche Traumatisierung mit großen einwirkenden Kräften voraus. Deshalb sind Beckenverletzungen häufig mit anderen Unfallfolgen kombiniert und potentiell lebensbedrohlich. Nur im Rahmen eines angemessenen Polytrauma-Managements kann eine erfolgreiche chirurgische Behandlung erfolgen.
Beckenfrakturen zählen zweifellos zu den am schwierigsten zu behandelnden Verletzungsformen, nicht zuletzt wegen der besonderen anatomischen Nähe zu den lebenswichtigen Organen des Bauchraumes und den großen, die Beine versorgenden Leitungsbahnen. Der Beckenring ist als Verbindung zwischen Körperstamm und den Beinen vor allem beim Gehen besonderen Belastungen ausgesetzt und funktionell von herausragender Bedeutung. Die möglichst korrekte anatomische Rekonstruktion ist daher das Ziel der therapeutischen Bemühungen.
Moderne bildgebende Verfahren wie die Computertomografie erleichtern und präzisieren die Darstellung des Verletzungsausmaßes am Beckenring. Dreidimensionale Darstellungen der komplexen Raumstruktur der verletzten Beckenknochen durch 3-D-Berechnung des computertomografischen Datensatzes ermöglichen eine exakte Vorausplanung der erforderlichen operativen Versorgung.
Eine unverzügliche chirurgische Intervention erfordert das sogenannte komplexe Beckentrauma. Neben einem Bruch des Beckenringes sind vor allem die Begleitverletzungen der beckennahen Weichgewebe einhergehend mit raschem Blutverlust für die hohe Letalität von ca. 20 % verantwortlich. Die Stabilisation des Beckenringes mit der sogenannten Beckenzwinge oder einem Fixateur externe ist am schnellsten und effektivsten durchzuführen und ermöglicht die parallele notfallchirurgische Blutstillung der Weichteile. Diese Notfallstrategie minimiert den Blutverlust und verringert dadurch die Komplikationen wie Schock und Multiorganversagen.
Die in das Hüftgelenk einstrahlende Beckenringfraktur wird als Acetabulumfraktur bezeichnet. Die Bruchlinien führen oft zu Verwerfungen und Stufen in der Hüftpfanne, die nicht erkannt oder unbehandelt eine rasche arthrotische Zerstörung des Hüftgelenkes zur Folge haben. Die genaue Kenntnis der unterschiedlichen, zum Teil sehr anspruchsvollen chirurgischen Zugangswege, umfangreiche Erfahrungen mit möglichen Repositionsmanövern verschobener Frakturen und die Fertigkeit zur kräfteneutralisierenden Platzierung stabilisierender Implantate sind zur Wiederherstellung der Gelenkpfanne unabdingbare Voraussetzungen. Nur die anatomisch korrekte Reposition und Stabilisation gibt dem betroffenen Patienten eine Chance zur dauerhaften Funktionsfähigkeit des Hüftgelenkes.
Auch die unkomplizierten Beckenringfrakturen müssen einer genauen Diagnostik unterzogen werden. Selbst gering erscheinende horizontale und vertikale Verschiebungen können das funktionell komplexe Gefüge des Beckenringes empfindlich stören und zu dauerhaften erheblichen Schmerzen führen. Die genaue Vorstellung über den Verlauf einer Fraktur und die Kraftverlaufslinien am kraftübertragenden und kraftableitenden Beckenknochen definiert die korrekte Lage notwendiger stabilisierender Implantate oder lässt eine konservative Behandlung gerechtfertigt erscheinen. Im Falle einer Operation gehen die Bemühungen hin zu immer kleineren Implantaten wie den sogenannten Kriechschrauben, welche über möglichst minimalinvasive Operationszugänge eingebracht werden.
Die Behandlungsergebnisse der letzten Jahre zeigen bei durchschnittlich 80 operativ versorgten Beckenringfrakturen eine stetige Verbesserung der funktionellen Wiederherstellung. Ein konsequentes Polytrauma-Management, der Einsatz moderner diagnostischer Verfahren und eine subtile, durch intensiven Erfahrungsaustausch mit anderen unfallchirurgischen Kliniken der Maximalversorgung aktualisierte Operationstechnik haben dazu beigetragen.
Die Weiterentwicklung und vermehrte Durchführung minimalinvasiver Operationstechniken im Zusammenwirken mit universell einsetzbaren Navigationstechniken wird in Zukunft auch in der Beckenchirurgie zu einer Verbesserung der Behandlungsergebnisse führen.